Vandalen und Goten haben keine Spuren ihrer Herrschaft über Sizilien hinterlassen. Aber die Normannen, in wenigen Generationen aus seeräubernden Wikingern zu Staatengründern gewandelt, und ihr Erbe, der Stauferkaiser Friedrich II, wurden echte Sizilianer.
Von Eberhard Horst
"Von Norden her überfällt alles Übel die Erdbewohner". Innozenz III., der das schrieb, übernahm am Ende seines ersten Papstjahres 1198 die Vormundschaft über den dreijährigen, nach seinen Großvätern Friedrich Roger genannten Erben des Königreichs Sizilien. Aber der mächtige, kluge Innozenz kümmerte sich wenig um das am Pfingsttag desselben Jahres in Palermo zum König gesalbte und nach dem Tod der Königinwitwe Konstanze verwaiste Kind: Der kleine König geriet in die Gewalt der deutschen Barone und Heerführer.
Vor den Deutschen aus Schwaben, den svevi, waren schon die Nordmänner, die Normannen, in Sizilien eingedrungen, gewaltsam, und hatten die mehr als zweihundertjährige Herrschaft der Sarazenen beendet. Doch gemessen an den Erfolgen ihrer nur vier Generationen währenden Regierungszeit brachten die Normannen den Bewohnern der Inseln kein "Übel": Ohne das von den Normannenkönigen Geschaffene oder doch Ermöglichte, das wir noch heute bewundern, wäre Sizilien nicht Sizilien.
Ihre Geschichte begann in einem Dorf der Normandie, ein nahezu märchenhafter Anfang. In Hauteville lebte der Landedelmann Tankred, dessen Grundbesitz seinen zwölf Söhnen kein Auskommen bot. Aber auch Abenteuerlust trieb die älteren von ihnen nach Unteritalien. Sie gerieten in die Kämpfe zwischen Byzanz und den Inselsarazenen, zwischen Papst und Kaiser, schlugen sich tapfer, so dass sie bald in Apulien mit Ländereien belehnt wurden. Der seinen Brüdern gefolgte Robert Guiscard, der tüchtigste der Tankred-Söhne, erhielt 1059 von Papst Nikolaus II. Apulien, Kalabrien und Sizilien zu Lehen.
Sizilien, noch von den Sarazenen beherrscht, musste erst erobert werden. Robert Guiscard, den weiterreichende Pläne gegen Byzanz trieben, überließ die Insel seinem jüngeren Bruder Roger. Erst der dritte Landungsversuch mit rund dreihundert Rittern gelang 1061 südlich von Messina. Streitigkeiten der rivalisierenden Emire kamen Roger zugute. Nach elf Jahren, anfangs noch mit Robert Guiscards Waffenhilfe, zog er in Palermo ein, der islamischen Metropole mit mehr als dreihundert Moscheen. Aber das im ersten Jahr erstürmte Troina in den Monti Nebrodi blieb Hauptquartier, von dem aus Roger, der sich Graf von Sizilien nannte, Ort um Ort der Insel eroberte. Zuletzt, nach drei Jahrzehnten, fiel Noto im Südosten.
Die sizilischen Bergstädte, heute abseits gelegen, haben ihre große Geschichte. In Troina besuchte Papst Urban II. den Grafen Roger, der das Christentum nach Sizilien zurückbrachte, Klöster und Kirchen gründete. In Troina heiratete Roger auch seine dritte Frau, die tapfere Lombardin Adelasia. Die Castello di Lombardia genannte Festung von Enna, zuvor Araberburg, ließ Graf Roger ausbauen und von Lombarden, die ihm als Leibwache dienten, besetzen.
In Troina regierte Adelasia nach Rogers Tod 1101 mit außerordentlichem Geschick. Arabische und griechische Gelehrte unterrichteten ihre beiden noch unmündigen Söhne, von denen der eine früh starb. Erst 1112 machte Adelasia Palermo zur Residenz, und mit 17 Jahren übernahm der zweite Roger aus ihrer Hand die Herrschaft.
Er vollendete nicht nur das Eroberungswerk seines Vaters, sondern erwies sich in den 42 Jahren seiner Regierung, zumal nach seiner Königskrönung 1130 im ersten Dom von Palermo, als beispielgebender Staatsmann, von dem es hieß: "Gerechtigkeit und Friede herrschten überall in seinem Reich". Ein ungeheurer Vorgang, wenn man bedenkt, dass die normannische Vätergeneration beutegierig und eroberungssüchtig in das Südland eingefallen war.
Aus den kriegerischen Abenteurern wurden hervorragende Staatsgründer, Gesetzgeber und Förderer der Künste. Überdies entwickelte sich Palermo unter König Roger zur blühenden Handelsstadt. Überschwänglich preist der große arabische Geograph Idrisi seinen König: "Er macht aus unfruchtbarer Dürre üppige Gärten und blühende Gefilde". Was König Roger geprägt hat, entsprang offensichtlich der Mischung von normannischem und lombardischem Blut, dem überwiegenden Einfluss Adelasias und deren gewählter Erziehung. Auch König Rogers Enkel, in vieler Hinsicht sein Erbe, Kaiser Friedrich II., wird seine stärkere Prägung nicht dem staufischen Vater, sondern der normannisch-sizilischen Mutterseite und seinem Heranwachsen in Palermo verdanken: Nachweisliche Primäreinflüsse, die vor allem bei Friedrich keine einseitig vaterbezogene Genealogie überdecken kann, auch wenn sein zweiter Taufname Roger bald in Vergessenheit geriet.
Die höchsten staatspolitischen, aber auch humanen Verdienste König Rogers lagen in der Anerkennung der gemischten Bevölkerungsstruktur, im Verwirklichen einer pluralen Gesellschaftsordnung. Die noch französisch sprechenden Normannen richteten eine dreisprachige Hofkanzlei und Verwaltung ein, ließen wichtige Dokumente lateinisch, griechisch und arabisch abfassen. Jede Bevölkerungsgruppe sollte sich in diesem vielschichtigen Staatsgebilde heimisch fühlen. Für die gesamte Bevölkerung aus Ureinwohnern, Griechen, Sarazenen und Ultramontani, den von "jenseits der Berge" stammenden Normannen, erließ Roger seine Gesetze, auf die noch sein Enkel Friedrich zurückgreifen sollte. Die Normannenkönige tolerierten nicht nur die ja auch religiös unterschiedlichen Kulturen, sondern nutzten sie und erwirkten im humanen Zusammenschluss aller Kräfte eine wirtschaftliche und kulturelle Prosperität, deren Ausmaße unvorstellbar sind, wenn wir das heutige Sizilien, die soziale und ökonomische Hilfsbedürftigkeit, vor Augen haben. Sie übernahmen die sarazenische Finanzverwaltung, die geschulten sarazenischen Beamten oder deren heilkundige Mediziner. Die rauen Krieger lernten von der verfeinerten, überlegenen Lebensweise der Sarazenen. Wie ein Orientale beanspruchte König Roger die Proskynese, den Kniefall vor seiner Majestät. Neben arabischen wirkten lateinische, Griechische und jüdische Berater, Dienstleute, Künstler und Gelehrte am Hof.
Den schönsten, noch heute sichtbaren Ausdruck hat das Zusammenwirken verschiedener Kulturen in den Bauten und Kunstwerken gewonnen. Byzantinische Mosaizisten schufen Rogers Krönungsmosaik in der nach einer späteren Wohltäterin "La Martorana", genannten Kirche in Palermo. Nicht vom Papst, dem Lehnsherrn, sondern aus der Hand des übergroßen, majestätischen Christus empfängt hier Roger II. die sizilische Krone.
Welch ein Selbstbewusstsein in dieser Szene, Roger im Ornat des Herrschers, mit der Stola des "apostolischen Legaten", eine nach byzantinischem Muster asketische, schwarzbärtige, zarte Gestalt, obwohl die Chronisten ihn hochgewachsen und blondhaarig schildern. Ein zweites Mosaik in der Martorana rührt durch die Demutsgeste des vor der Madonna am Boden liegenden weißhaarigen Stifters Giorgio d'Antiochia, eines Griechen, des Königs Großadmiral und höchster Befehlshaber, nach dem die Kirche ursprünglich Santa Maria dell'Ammiraglio hieß.
Manche palermitanische Moschee wurde damals eine christliche Kirche. Einfache kubische Bauformen und blassrote Kuppeln mit dünner Steinspitze erinnern an ihre islamische Herkunft, an arabische Architektur. Auf den Fundamenten der Araberburg ließ Roger seinen Palast errichten, den Palazzo Reale, in dem heute das Parlament der autonomen Region Sizilien tagt. Vom alten Bau blieb nur ein Teil der rechten Seite erhalten. Doch zwei Innenräume bewahrten ihre ursprüngliche Pracht, die Cappella Palatina und die Sala Ruggero, das Privatgemach des Königs.
Bis zu seinem 14. Jahr lebte Friedrich II. im Palazzo Reale, sah er täglich die glänzenden Mosaikbilder der kleinen Sala Ruggero, Jagdszenen, Wildtiere, Pflanzen, arabische Ornamente, in der Deckenmitte den Adler, dessen Fänge einen Hasen umkrallen. Dies Sinnbild des Tapferen, der den Feigen schlägt, prägte sich dem jungen Friedrich ein; er wählte es später als Wappen, ließ es an vielen Orten, wie in Catania an der Außenmauer des Castello Ursino, anbringen.
Die normannisch-sizilische Architektur und nahezu alle zeitgenössischen bildnerischen Werke bezeugen einen Kunstwillen, der das Zusammenspiel sucht und sich darin vollendet. Das gilt besonders für ein Juwel der unter König Roger geschaffenen sakralen Bauten, die Cappella Palatina. In dieser Kapelle, der vielleicht würdigsten Hofkapelle der Welt, verschmerze n normannische Bildhauerkunst, arabisches Schmuckwerk bis hinauf zur hölzernen Stalaktitendecke und die Bilderschrift byzantinischer Mosaikerzählungen zu unvergleichlicher Harmonie.
Außerhalb von Palermo entstanden die Normannendome von Cefalù und Monreale. Sie verhalten sich zueinander wie Knospe und Frucht. Im Dom von Cefalù, nach einem Gelübde des in Seenot geratenen Königs Roger begonnen, überwiegt noch die strenge, geschlossene, im Wandschmuck sparsame Baugesinnung der Frühzeit. Demgegenüber entfaltet sich im 1174 von Rogers Enkel Wilhelm II. gegründeten Dom von Monreale die ganze Fülle der Reife; in den gemischten architektonischen, bildnerischen Kunstformen, in den rundum jedes freie Feld besetzenden Mosaiken, dem größten musivischen Zyklus des Mittelalters, einem goldenen Bilderbuch, das die Heilsgeschichte und das Wirken der Heiligen erzählt. Im Kreuzgang des Benediktinerklosters verbinden sich noch einmal normannische Steinmetzkunst, byzantinische und arabische Schmuckformen, ein letzter Höhepunkt der normannisch-sizilischen Kunst.
Fast gleichzeitig mit dem Dom von Monreale entstand in Palermo die Kathedrale. Aber nur noch das Ostwerk mit seinen drei Apsiden, dekoriert mit sich überschneidenden Blendarkaden und Zinnen, vermittelt eine Vorstellung von der großartigen Formenwelt des Normannendoms, der anstelle der ersten Kathedrale, einer umgewandelten Moschee, errichtet und 1185 geweiht worden war. Wilhelm der Gute und sein Vater Wilhelm I, genannt "der Schlechte", beide im Dom von Monreale beigesetzt, waren schon weit abgerückt von der raueren Lebensart der normannischen Eroberer. Sie zehrten von den Erfolgen der Väter, einem weichen orientalischen Luxusleben verfallen, hielten sie sich gern, umgeben von ihren Favoritinnen, in ihren Villen und Parkschlössern auf, die "wie eine Perlenschnur um den Hals einer Schönen" den riesigen Park Gennoard schmückten. Die Jagdschlösschen "La Cuba" und "La Zisa", heute dürftige kubische Bauten am westlichen Stadtrand, ehemals von Wasserspielen und Fischteichen gesäumt, gehörten zu diesem "irdischen Paradies", dem exotischen Park, der sich von Palermo bis hinauf nach Monreale, dem "Königsberg", zog.
Wie ihre Väter waren die Könige gläubige Christen, doch liebten sie es, sich wie Paschas in Seide zu kleiden, pflegten den Umgang mit arabischen Geheimlehren und Astrologie. Über die Toleranz ihrer Väter hinaus bevorzugten sie jetzt in aller Offenheit die muslimischen Sarazenen. Wilhelm der Gute habe geäußert, schrieb ein arabischer Reisender: "Möge jeder von euch den Gott anrufen, den er verehrt; wer an seinen Gott glaubt, dessen Herz ist ruhig".
Die Päpste in Rom verfolgten diese Entwicklung mit wachsendem Misstrauen. Vielleicht dachte Papst Innozenz III, der sich selbst zum Weltenrichter ernannte, auch an die Invasion der Normannen, als er vom "Übel" sprach. Doch konkret meinte er die "von Norden her" eingedrungenen Deutschen, die Svevi. "Die Wut des Nordsturms durchfuhr die kalabrischen Berge wie ein neues Erdbeben, hetzte über die apulische Ebene und wirbelte den Bewohnern Staub in die Augen", schrieb Innozenz in der überhöhten Symbolsprache seiner Zeit: Der "Sturm aus Schwaben" brach ein in den "Garten Sizilien" und zerstörte blühende Kulturen.
Wilhelm der Gute hatte wohl kaum bedacht, was er auslöste, als er seine einunddreißigjährige Tante Konstanze, die Tochter König Rogers II., dem Sohn Friedrich Barbarossas, dem Staufer Heinrich, zur Frau gab. Ein für den unpolitischen, konfliktscheuen, versöhnlichen Wilhelm charakteristisches Nachgeben. Natürlich lagen dem Drängen des staufischen Brautwerbers handfeste territoriale Interessen zugrunde, während Wilhelm durch die Ehestiftung zur Aussöhnung zwischen Papst und Kaiser beizutragen glaubte. Hatte der sizilische König nicht bedacht, dass er kinderlos sterben und das Königreich über die Erbin ihrem landfremden Ehemann in den Schoß fallen könnte? So geschehen 1189, drei Jahre nach der staufisch-normannischen Hochzeit in San Ambrogio in Mailand. Es war keine Liebesheirat zwischen Konstanze und dem elf Jahre jüngeren Staufer, der als Heinrich VI 1191 die Kaiserkrone seines auf einem Kreuzzug ertrunkenen Vaters übernahm.
Heinrich VI ließ sich Zeit, Sizilien in Besitz zu nehmen. Auf der Insel traten als Gegenpartei die einheimischen Barone auf den Plan, die ihren König Tankred wählten, den unehelichen Sohn von Konstanzes frühverstorbenem zweiten Bruder. Die Normannin sah das nicht ungern. Erst nach dem Tod Tankreds 1194 konnte Heinrich die Insel besetzen, mit Waffengewalt - wie 130 Jahre zuvor die Normannen.
In der Kathedrale von Palermo empfing Heinrich in der Woche vor Weihnachten die sizilische Krone. Es muss eine rührende Szene gewesen sein, wie Tankreds siebenjähriger Sohn, den die Sizilianer noch als Wilhelm III gekrönt hatten, die Stufen zum Altar hinaufging, Thronverzicht leistete und seine Krone in die Hand des Staufers legte. Nahezu der gesamte sizilische Adel war anwesend, der zugesicherten Generalamnestie vertrauend.
Vermutete der Kaiser eine Verschwörung, hatte er Beweise dafür? Oder wollte er die Widerständler nachträglich bestrafen und jeder künftigen Rebellion vorbeugen? Am Weihnachtstag ließ sich Heinrich, von dem es heißt, er sei ein Liederdichter gewesen und eher unbeholfen als Kriegsmann, zu einem grausamen Strafgericht hinreißen, zum Entsetzen nicht nur der Sizilianer. Zahlreiche Adelige wurden eingekerkert, gefoltert, ermordet, ehemalige Freunde Tankreds bei lebendigem Leibe verbrannt. Den kleinen Tankred Sohn Wilhelm ließ der Staufer blenden, entmannen, nach Norden zur Burg Hohenems verschleppen, wo der Junge bald starb.
Konstanze war im Herbst, als sie mit Heinrich aus Deutschland kam, wegen ihrer Schwangerschaft in Jesi nahe Ancona zurückgeblieben. Einer merkwürdigen Schicksalsfügung zufolge gebar sie am selben zweiten Weihnachtstag 1194, an dem Heinrichs Wüten begann, in Jesi ihren Sohn Friedrich Roger. Die Normannin wird mit Schaudern von den Gewaltmaßnahmen ihres Mannes gehört haben. Dann, auf dem Rückweg nach Palermo, musste sie mit eigenen Augen sehen, wie Heinrich den märchenhaften sizilischen Kronschatz entführte, Gold, Edelsteine, Insignien und den prachtvollen Krönungsmantel ihres Vaters Roger - heute bei den Reichskleinodien in der Wiener Hofburg. 160 Maultiere trugen den Reichtum Siziliens über die Alpen zur pfälzischen Burg Trifels.
Wahrscheinlich steigerte sich ihre Abneigung gegen die ungewollte Ehe bis zum Hass. Ihren Sohn wollte sie nicht nach Palermo bringen und vertraute ihn der Obhut der Herzogin von Spoleto an.
Erst als Heinrich VI vor dem Aufbruch zum Kreuzzug in Messina an Ruhr und Malaria starb, an Seuchen, mit denen der Süden Eindringlinge aus dem Norden straft, als Sizilien aufatmete, ließ sie ihr Kind holen und am Pfingsttag 1198 zum König krönen. Die deutschen Heerführer, Grafen, Ritter verbannte sie, denn die Gran Constanza, wie Dante sie in der "Divina Commedia" nennt, wollte Sizilien als unabhängiges Königreich wiederherstellen. Aber die vierundvierzigjährige Konstanze erlebte noch nicht einmal das Jahresende, und erneut brachen über Sizilien Gewalt und Schrecken herein.
Das Kind Friedrich, Siziliens König, wuchs zunächst ungefährdet auf, bis die deutschen Lehnsherren zurückkehrten, mit Feuer und Schwert herrschten, schlimmer als zuvor. Heinrich Truchseß Markward von Annweiler behauptete, der Kaiser habe ihm Regentschaft und Sorge für den unmündigen Friedrich testamentarisch überantwortet. Als der Annweiler den Jungen ergreifen ließ, wehrte sich der Siebenjährige voll Zorn. Er stürzte sich auf die Eindringlinge, zerriss seine Kleider, kratzte sich die Haut blutig.
Aber umbringen konnte man den Königsknaben nicht, um einen Rest von Legalität zu wahren. Wie "ein Lamm unter Wölfen" lebte der Junge in den nächsten fünf Jahren, bedroht von Verrat und Mord, verwahrlost, durch die Gassen Palermos streunend und oft hungernd, gelegentlich von palermitanischen Familien verköstigt.
Erst nach dem Tod des Annweiler 1207 schildern Briefschreiber etwas genauer den inzwischen zwölf und dreizehnjährigen Friedrich. Er sei mittlerer Statur, kräftig, gelenkig, ein guter Reiter, heißt es. Sein ungehöriges, unhöfliches Betragen sei wohl auf vulgären Umgang zurückzuführen. Aber man bewundert seinen Scharfsinn, seine Gelehrigkeit, seine Kenntnisse und Reife, "an Wissen jetzt schon ein Mann und an Majestät ein Herrscher". Ein Wunder, dass der sich selbst überlassene Junge nicht verkümmerte, sondern universales Wissen und Lebenserfahrung erwarb.
Vermutlich unterrichtete ihn der muslimische Kadi, ein gelehrter Mann, der ihm die arabische Geisteswelt und alles Wissenswerte erschloss. Friedrich erwähnt selbst einen Muslim, der ihn Logik gelehrt habe und ihn auf seinem Kreuzzug 1228 begleitete, als er ohne Blutvergießen, aber nach freundschaftlichem Gedankenaustausch mit dem Sultan Jerusalem befreite. In Palermo bildete sich seine Vorliebe für arabische Lebensart, Naturwissenschaften, Philosophie, die auf Erfahrung beruhende empirische Methodik.
Wie kein Herrscher vor oder nach ihm wurde der Enkel des Normannen Roger und des Staufers Friedrich Barbarossa zum Sizilianer, entsprach er der pluralen Lebenswelt der Insel, ihrer gemischten Struktur. In den frühen Jahren lernte er die Sprachen der Insel: Arabisch, Lateinisch, Griechisch, Französisch, Provençalisch, dazu das Volgare, die Volkssprache, in der er seine Verse schrieb und seine sizilische Dichterschule gründete, während ihm das Deutsche lange fremd blieb.
Aber deutsche Fürsten besannen sich auf das "kint von Pülle", den "puer Apuliae", wie der Waisenknabe genannt wurde, boten dem staufischen Erben die deutsche Krone an. War sein Vater von Norden gekommen, um sizilischer König zu werden, so zog er 1212 siebzehnjährig von Süden nach Norden. In Aachen empfing er 1215 die Königskrone und blieb insgesamt acht Jahre in Deutschland. Nach seiner Rückkehr 1220 in Rom salbte ihn der greise Papst Honorius III zum Kaiser.
Der zurückgekehrte Friedrich bevorzugte nun Aufenthaltsorte auf dem südlichen Festland; Apulien und Kalabrien gehörten zu seinem sizilischen Königreich, dem er jetzt eine feste Staatsform und ein großes Gesetzeswerk gab. Seine Hauptresidenz Foggia in Apulien lag günstiger als das ferne Palermo.
Aus seinem Königreich machte er einen autokratisch regierten Ordnungsstaat, eine Vorform des späteren Staatsabsolutismus. Friedrich wurde "der erste moderne Mensch auf dem Thron" genannt, aber auch "Despot". Doch gewiss kamen damals die sizilische Zentralisierung, die Aufhebung der feudalen Selbstherrlichkeit und die Rückforderung von Schenkungen an Gefolgsleute landfremder Machthaber, vor allem die durch Friedrichs Gesetzbuch "Liber Augustalis" verbürgte Rechtssicherheit und Gleichheit aller vor dem Gesetz der Bevölkerung zugute.
Sizilien und Palermo besuchte er nur noch selten, zeitweise in den Jahren 1222 bis 1225 und noch einmal 1233, um Aufstände niederzuschlagen. Die lange Abwesenheit des Königs, seine anderweitigen Verpflichtungen verlockten die im Bergland lebenden Sarazenen zur Rebellion.
Nach ihrer Niederlage befahl Friedrich die Umsiedlung von 16 000 Aufrührern nach Apulien. Er überließ ihnen eine große Ebene bei Foggia, wo sie Stadt und Kastell Lucera aufbauten. Ein überaus kluger Einfall, denn der Kaiser gewann in ihnen treueste Anhänger, eine jederzeit einsatzfähige Kampftruppe und Leibwache, zudem eine Waffenschmiede und Werkstätten für seine Residenz.
Ein letzter Besuch Friedrichs II blieb auf einen Hoftag 1234 in Messina begrenzt. So wird er seine Kastelle auf der Insel, anders als die in Apulien, seine "Orte der Erquickung", nicht vollendet gesehen oder bewohnt haben. Er selbst erwähnt in einem Brief an seinen sizilischen Baubeauftragten vom November 1239 die damals im Bau befindlichen Kastelle von Augusta, Syrakus, Caltagirone, Milazzo und Lentini, dazu das geplante Kastell von Catania. Aber nur jene von Syrakus und Catania blieben in ursprünglichem bestand erhalten.
Das syrakusanische Castello Maniace auf der Spitze von Ortygia umspült an drei Seiten das Meer. Der viereckige Quaderbau mit vier runden bulligen Ecktürmen zeigt noch heute die auf klare Zweckmäßigkeit ausgerichtete staufische Bauidee. Ebenso viereckig mit runden Ecktürmen ist das Castello Ursino von Catania angelegt, jedoch ergänzt durch vier halbrunde Zwischentürme. In Enna ließ Friedrich das Castello di Lombardia weiter ausbauen. An ihn erinnert im Westen der Bergstadt der Torte di Federico, ein völlig erhaltener achteckiger Wohnturm mit Resten einer achteckigen Umfassungsmauer. Auffallend ähnelt er, wiewohl vereinfacht, Friedrichs schönstem, vielgerühmten Castel del Monte, der "Krone Apuliens", der Krönung der staufischen Bauwerke im Süden.
Auf einem Jagdausflug nahe Lucera erkrankte der Kaiser und starb am 13. Dezember 1250 in Castel Fiorentino. Seine treuen Sarazenen trugen ihn durch Apulien zur Küste. Friedrich II wollte nach Palermo zurückgebracht werden, in der Kathedrale seine letzte Ruhe finden neben seinem Großvater König Roger II, neben seinen Eltern Konstanze und dem Staufer Heinrich VI und seiner ersten Gemahlin Konstanze von Aragon. Es war eine sinnvolle Rückkehr an den Ort seiner Jugend, seiner sizilischen Prägung, als man ihn in dem von ihm bestimmten, von zwei Löwenpaaren getragenen Porphyrsarkophag beisetzte.