Passione Italiana
 Die Leidenschaft für süditalienische Lebensart

S. Margherita di Belìce

"Das Haus in Palermo hatte auch seine Anhängsel auf dem Lande, die seinen Zauber vervielfachten. Es waren vier- Santa Margherita Bélice, die Villa in Bagheria, der Palazzo  in Torretta und das Landhaus in Raitano. Es gab auch noch das Haus in Palma und das Kastell von Montechiaro,  aber diese besuchte man nie."
"Der Lieblingsaufenthalt war Santa Margherita; dort verbrachte man viele Monate, auch im Winter. Es war eines der schönsten Landhäuser, die ich je gesehen habe. Erbaut im Jahre 1680, war es gegen 1810 vom Fürsten Niccolò Filangeri di Cutò, dem Vater meines Urgroßvaters mütterlidierseits, vollständig erneuert worden, als sich Ferdinando IV. und Maria Carolina sehr lange hier aufhielten: sie waren damals gezwungen, in Sizilien zu residieren, weil in Neapel Murat regierte. Von da ab ist dann dieses Haus nicht mehr unbewohnt geblieben wie alle unsere anderen sizilianischen Häuser, sondern es wurde gepflegt, instandgesetzt und immer reicher ausgestattet. Schließlich nahm meine Großmutter Cutò dort fast ständig Wohnung; sie  hatte bis zu ihrem zwanzigsten Jahr in Paris gelebt; trotzdem teilte sie die Abneigung der Sizilianer gegen das Landleben nicht. Diese Großmutter hatte Santa Margherita up to date gebracht, der Mode angepaßt, natürlich der des zweiten Empire, die jedoch nicht viel anders war als die Art von Komfort, die in Europa bis zum Jahre 1914 herrschte."

So erscheint S. Margherita mit dem schönen Landhaus in den Erinnerungen von G. Tomasi di Lampedusa.  Aber der Ursprung dieses kleinen Städtchens liegt noch weiter zurück. Schrifliche Hinweise des arabischen Historikers Idrisi erwähnen ein "Casale del Sindo" (Bauernhaus des Sindo oder Manzil Sindi), das während der arabischen Herrschaft auf Sizilien entstand und später "Misilindino" genannt wurde. Nach dem Ende der Araberheerschaft blieb das Lehen bis zum Jahr 1392 verlassen, danach gab König Matin es dem Grafen von Adernò Antonio Moncada. Wenige Jahre später wechselte es erneut die Besitzer. Zuerst zu Michele de Imbu, dann zu Pietro Pomara und schließlich, im Jahr  1433, zum Baron von Corbera. Mit ihm begann die Blütezeit und die Entwicklung des Lehens Misilindino. Die adlige Familie der Corbera hatte katalanische Ursprünge und kam nach der Eroberung Siziliens durch den spanischen König Philipp II auf die Insel. Von ihm bekam der Baron von Corbera auch die  "Licentia Populandi" (Erlaubnis, einen Ort zu besiedeln) über 11 Lehen, die später zu Ehren ihrer Vorfahrin S. Margherita genannt wurden. Antonio Corbera besiedelte wieder der Ort erneut, baute die ersten Straßen und gründete das Stadtviertel S. Vito, das noch heute, obwohl vom Erdbeben zerstört, besuchbar ist. 1610 autorisierte König Philipp III den Baron Girolamo Corbera, den Neffen des Begründers, dieses Stadtviertel S. Margherita zu nennen.
S. Margherita war geboren. Die Nachfolger der Familie Corbera bauten die kleine Stadt aus, andere Stadtviertel kamen hinzu: S. Antonio,  S. Michele, Madonna di Trapani, San Calogero, San Francesco. Nachdem es keine männlichen Erbnachfolger gab und die letze Erbin, Baronin Margherita gestorben war, und vor allem, weil eine große Hypothek auf dem Landhaus lastete, kam S. Margherita, zur Begleichung der Schulden, in den Besitz der adlige Giulia Carnilivari.
Der Rückkauf des Besitzes erfolgte 1620 als Elisabetta, die Tochter von Antonio Corbera, Giuseppe Filangeri heiratete, der die Schulden beglich und den ganzen Ort wieder in den Besitz der Familie brachte. Die normannische Familie der Filangeri verwandelte S. Margherita in ein echtes Städtchen. Alexander I erlangte den Titel eines Prinzen - doch es war Prinz Alexander II, der S. Margherita ein neues Gesicht gab. Er vergrößerte das Landhaus und baute das Theater S. Alessandro in den Komplex ein. Er gründete das Waisenhaus "Francesco Maggio" und das "Collegio di Maria" (Internat von Maria), ließ das schöne Jagdschloss der Venaria auf der Kuppe des Hügels S. Nicola (bei Montevago), die Chiesa Madre (Unsere Liebe Frau), das Kloster der "Padri Riformati", das Haus der "Giudici e dei Giurati" (Richter und Geschworene) und die Palazzata (Häuserensemble) errichten.

Gegenüber dem Palazzo Cutò (besser bekannt als Palazzo des Leoparden) begrenzt die Palazzata, obwohl nach dem Erdbeben von 1968 noch nicht fertig wieder aufgebaut, die Piazza Matteotti und stellt zusammen mit dem Palast ein Ganzes dar.
Sein Nachfolger, Prinz Nicolò I, bot der Königin Maria Carolina von Habsburg und ihrem Sohn, Leopold seine Gastfreundschaft an. Sie versteckte sich in S. Margherita vor den englischen Truppen, die sie beschuldigten, konspirative Kontakte zu Napoleon zu unterhalten. Dieses historische Ereignis der Ankunft und Aufenthalt der Königin in S. Margherita wurde mit dem Bau eines herrlichen Stadttores, der Porta Nuova, gefeiert. Die beiden Inschriften auf der Marmortafel kann man auch heute noch auf der Fassade des Palazzo des Leoparden sehen.
1867 erkannte Prinz Nicolò I Giovanna Filangeri als einzige rechtmäßige Erbin an. Sie heiratete Lucio Mastrogiovanni Tasca; das Paar hatte sechs Kinder, nur einer davon war ein Junge. Giovanna, die Erstgeborene, heiratete später Giulio V Tomasi. Auch dieses Paar bekam einen Jungen, Giuseppe Tomasi di Lampedusa, der zukünftige weltberühmte Schriftsteller.
Der letzte Erbe, Alexander Cutò Jr, verkaufte um das Jahr 1924 den "Palast des Leoparden" (Palazzo Cutò) an Pierantonio Scaminaci und an Pasquale Ferraro.
S. Margherita florierte weiter bis zum schrecklichen 15. Januar 1968. Ein furchbares Erdbeben, das alle Städtchen im Belìce-Tal traf, zerstörte auch S. Margherita und brachte die Entwicklung zum Stillstand.
Besucher wundern sich häufig darüber, dass S. Margherita, auch nach viereinhalb Jahrzehnten, immer noch nicht komplett wiederaufgebaut ist. Die Folgen des Erdbeben wurden durch unfähige Politiker noch verschlimmert.
Das Schicksal einer schlechten Verwaltung teil sie mit vielen anderen Ortschaften Italiens, die von korrupten Politikern regiert werden, die weniger an das Wohl der Stadt und ihrer Bürger, sondern an ihr eigenes Wohl und das Wohl ihrer Familie denken.
So kam es, dass beim Wiederaufbau S. Margherita zugunsten eines schnellen Verdienstes die Vengangenheit noch weiter zerstört und mit Absicht verdrängt wurde.
Alles, was die Politiker in S. Margherita bis heute geschaffen haben, ist ein Bruchteil von dem, was sie hätten machen können.

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